Presserat spricht 15 Rügen aus
Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht und den Opferschutz: Der deutsche Presserat, das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse, hat 14 öffentliche Rügen und eine nicht-öffentliche Rüge gegen Medien ausgesprochen.

Die Rügen im Einzelnen:
- „bild.de“ erhielt eine Rüge für einen Bericht über einen Manager, der sich das Leben nahm. Unter der Überschrift „An dieser Eiche endete der Streit ums Sorgerecht” zeigte die Redaktion ein Foto des Verstorbenen, zitierte aus dessen Abschiedsbrief und beschrieb die Umstände des Suizids. Der Beschwerdeausschuss erkannte darin einen schweren Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.7 des Pressekodex, die Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen fordert, insbesondere bei der Nennung von Namen und Veröffentlichung von Fotos.
- „bild.de“ erhielt eine weitere Rüge für einen Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 des Pressekodex. Unter der Überschrift „Wie gefährlich war Ricarda Langs Taxifahrt?” zeigte die Redaktion die ehemalige Grünen-Chefin und ihren Ehemann in einem Taxi. Der Fahrer trug ein grün-weiß gemustertes Tuch, das die Redaktion als „Palästinensertuch“ und „Erkennungszeichen der Israel-Feinde“ bezeichnete. Die Redaktion spekulierte über eine mögliche Gefahr für die Politikerin, ohne tatsächliche Anhaltspunkte zu liefern. Zudem versäumte sie, den Taxifahrer mit dem Vorwurf zu konfrontieren. Der Presserat erkannte Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und den Persönlichkeitsschutz des Taxifahrers nach Ziffer 8 des Pressekodex.
- „bild.de“ erhielt zudem Rüge wegen der identifizierenden Berichterstattung über die Anwältin des Attentäters, der im August auf einem Stadtfest in Solingen drei Personen tötete und mehrere verletzte. Unter der Überschrift „Half sie dem Solingen-Terroristen, seiner Abschiebung zu entgehen?” zeigte die Redaktion ein verpixeltes Foto der Anwältin. Der Presserat befand, dass die Anwältin durch ihre Physiognomie und Frisur sowie weitere Details im Text erkennbar wurde. Da ihre anwaltliche Tätigkeit weit vor der Tat stattfand und sie sich nicht strafbar gemacht hatte, überwog der Schutz ihrer Persönlichkeit das öffentliche Interesse an ihrer Identität gemäß Ziffer 8 des Pressekodex.
- „bild.de“ wurde gerügt für einen Artikel unter der Überschrift „Pürierstab-Killer ging eiskalt und ‚extrem technisch‘ vor“. Der Beitrag beschäftigte sich mit dem Mord an einer ehemaligen „Miss Schweiz“-Finalistin. Die Redaktion veröffentlichte diverse Fotos des Opfers und nannte dessen Vornamen, den abgekürzten Nachnamen und das Alter. Der Presserat erkannte darin einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex, da die Frau keine Person des öffentlichen Lebens war.
- „bild.de“ wurde gerügt für einen Bericht über ein Tötungsdelikt im Westerwald. Unter der Überschrift „Sohn (37) löscht neue Familie des Vaters aus“ zeigte die Redaktion Fotos des Opfers und zwei weiterer Personen, die offenbar von der Tat betroffen waren. Eine Einwilligung der Angehörigen zur Veröffentlichung der Fotos lag nicht vor. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex, da die Identität der Opfer für das Verständnis des Tathergangs unerheblich war.
- „Bild“ erhielt eine Rüge wegen der Titelseiten-Schlagzeile „Bürgergeld: Jeder 10. Empfänger arbeitet schwarz“. Im Innenteil ergab sich, dass es sich lediglich um eine Schätzung eines Professors handelte. Der Presserat erkannte hierin einen massiven Sorgfaltsverstoß nach Ziffer 2 des Pressekodex, da die Schlagzeile ohne Distanzierung eine Schätzung zur Tatsache erhob.
- Der „Soester Anzeiger“ erhielt eine Rüge für die detaillierte Beschreibung eines mutmaßlichen Falls von sexuellem Missbrauch, der Gegenstand eines Strafprozesses war. Die Redaktion gab die Zeugenaussage eines mutmaßlichen Opfers mit Einzelheiten zu den vorgeworfenen Missbrauchshandlungen wieder und enthielt zahlreiche Informationen über die Familie. Dies verletzte den Persönlichkeitsschutz der Opfer nach Ziffer 8 und war unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11 des Pressekodex. Zudem bezeichnete die Redaktion die Schwester des Angeklagten fälschlich als dessen Tochter, was sie später richtigstellte.
- Die „Nordwest Zeitung“ erhielt eine Rüge für eine unangemessen detaillierte Beschreibung eines mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs in einer Familie. Die Darstellung der Missbrauchstaten war nicht von öffentlichem Interesse und unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11 des Pressekodex. Zudem verletzte die Redaktion den Persönlichkeitsschutz des Opfers nach Ziffer 8, da das Mädchen nur unzureichend anonymisiert wurde und für ein näheres Umfeld erkennbar war.
- „tag24.de“ erhielt eine Rüge für einen Bericht, in dem behauptet wurde, ein Kind sei vor einer Eisdiele angeleint worden. In dem Artikel spekulierte die Redaktion, ob dies ein Spiel gewesen sei oder die Eltern ihr Kind nicht in die Eisdiele mitnehmen wollten. Eine eigene Recherche zu den Hintergründen fehlte. Nachdem die Großmutter des Mädchens mitteilte, es habe sich um ein Spiel gehandelt, ergänzte die Redaktion den Beitrag. Der Presserat erkannte massive Verstöße gegen die Wahrhaftigkeit und das Ansehen der Presse nach Ziffer 1, die Sorgfalt nach Ziffer 2, die Pflicht zur Richtigstellung nach Ziffer 3, den Ehrschutz nach Ziffer 9 sowie das Verbot der unangemessen sensationellen Berichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Zudem verstieß die Darstellung gegen den Persönlichkeitsschutz des Kindes nach Ziffer 8 des Pressekodex.
- Ein freier Journalist erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen unlauterer Recherchemethoden. Der Journalist recherchierte über einen Mann, der eine Haftstrafe wegen Betrugs verbüßt hatte. Er nahm unter falschem Namen und mit einem gefälschten Social-Media-Profil Kontakt zu dem Betroffenen auf und gab sich gegenüber dessen Anwältin als Mandant aus, um schneller an einen Termin zu kommen. Der Presserat sah hierin einen Verstoß gegen Ziffer 4, Richtlinie 4.1 des Pressekodex, da unwahre Angaben über die Identität des Recherchierenden nur bei besonderem öffentlichem Interesse gerechtfertigt sind. Zudem verstieß der Journalist gegen den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen nach Ziffer 8 des Pressekodex.
- Die Nachrichtenagentur AFP erhielt eine Rüge für einen Bericht über ein Ranking von Luftverkehrsunternehmen, das verschiedenen Fluglinien Mängel bei Zuverlässigkeit und Servicequalität attestierte. Der Beitrag beruhte auf einer Erhebung eines Unternehmens, das Fluggastrechte gegen Airlines durchsetzt. Angaben zu Repräsentativität, Anzahl der Befragten und Erhebungszeitraum fehlten in der Agenturmeldung. Der Presserat bewertete das Fehlen dieser Angaben als schweren Verstoß gegen Ziffer 2, Richtlinie 2.1 des Pressekodex.
- „derwesten.de“ erhielt eine Rüge wegen einer irreführenden Überschrift, die der Presserat als Clickbaiting einordnete. Das Online-Portal veröffentlichte einen Beitrag mit dem Titel „Kaufland kann es nicht schönreden – Beliebter Pizza-Hersteller wird deutlich: ‚Wir schließen‘“. Die Überschrift implizierte, dass ein großer Lebensmittel- und Tiefkühlpizza-Hersteller seine Produktion schließt. Tatsächlich hatte der Konzern nur angekündigt, einen seiner Social-Media-Kanäle zeitweise zu schließen. Der Presserat sah hierin Verstöße gegen das Gebot der Wahrhaftigkeit nach Ziffer 1 und die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex.
- „handelsblatt.com“ erhielt eine Rüge wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot der Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex. Das Medium hatte Rankings zu elektronischen Geräten veröffentlicht und als „Verlagsangebot in Kooperation mit“ einer genannten Webseite gekennzeichnet. Der Presserat sah darin eine irreführende Kennzeichnung, da die Inhalte von Dritten stammten und nicht eindeutig als solche gekennzeichnet waren.
- „Off Road“ erhielt eine Rüge wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot zur Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex. Das Magazin veröffentlichte einen Artikel über einen Truck eines Fahrzeugbau-Spezialisten, der in werblicher Sprache gehalten war und detaillierte Kontaktinformationen des Fahrzeugbauers enthielt. Der Presserat sah darin eine Verletzung des Gebots zur besonderen Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex.
- „die2“erhielt eine Rüge wegen eines Produkttests unter der Überschrift „Endlich Schluss mit Falten“. Das Magazin beschrieb die Testsieger-Creme in werblicher Sprache und präsentierte sie in einer Grafik. Die Produkte auf Platz 2 und 3 fanden nur kurze Erwähnung. Der Presserat sah darin einen schweren Verstoß gegen das Gebot zur Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex.