Die Verlagslogistik als Brücke in eine erfolgreiche digitale Zukunft
BDZV-Konferenz zeigt innovative Ansätze zur Wandlung von Papier zu Pixeln
Auf der 11. BDZV-Konferenz Verlagslogistik wurde die Bedeutung des Printgeschäfts für die digitale Transformation der Medienhäuser anhand zahlreicher Beispiele verdeutlicht. Über einhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhren von den Referentinnen und Referenten praxisnah, wie sie ihre Verlagslogistik optimieren können, um die wichtigen Umsätze aus Print möglichst lange zu halten. Alle Mitarbeitenden in den Medienhäusern arbeiten gemeinsam an dem Ziel einer erfolgreichen digitalen Zukunft.

Dr. Jörg Eggers, seit November dieses Jahres neuer Hauptgeschäftsführer des BDZV, betonte in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung von Gemeinschaft und Austausch. Er erklärte, dass die Verlagslogistik ein enormes Potenzial habe, wenn man sie gemeinsam gestalte. Der Verband erfülle als Plattform zum Vernetzen und Lernen diese wichtige Funktion. Das Ziel der Konferenz sei es, Projekte mit Vorbildcharakter vorzustellen, sodass andere Verlage daraus lernen können.
Christian Eggert, Leiter Verlagswirtschaft beim BDZV und Moderator der Konferenz, betonte, dass die Nachfrage nach gedruckten Zeitungen immer noch hoch sei. Allerdings steigen die Stückkosten in der Zeitungszustellung aufgrund von Mindestlohn und Auflagenrückgang. Doch diese Kosten könnten im Zaun gehalten werden, wie aus denen auf der Konferenz vorgestellten Projekten hervorgehe.
John Kvadsheim, Executive Vice President Print and Distribution von Amedia aus Oslo (Norwegen), präsentierte, wie das Medienhaus durch eine Reduzierung der Erscheinungsfrequenz die „Letzte Meile“ optimiert und damit die Zeitungsproduktion insgesamt günstiger gemacht habe. Er erklärte, dass die Zeitungszustellung in Norwegen aufgrund der komplexen Geografie besonders herausfordernd sei. Amedia habe in ihrer Hochphase jede Nacht rechnerisch eine Strecke rund um den Äquator zurückgelegt, um eine Million Haushalte zu erreichen. Dies sei wirtschaftlich nicht länger darstellbar gewesen. Kooperationen und Standardisierungen hätten ebenfalls zur Kostensenkung beigetragen. Der größte Gamechanger sei jedoch die Reduzierung der Erscheinungstage und die Trennung von etwa 15 Prozent der kleinsten Kunden gewesen. Die Corona-Pandemie habe dabei geholfen, althergebrachte Modelle umzustellen. Sein Tipp: „Build national alliances, think national! “.
Marc Augusto, Partner und Programm-Manager beim Zentrum für erlebbare Künstliche Intelligenz und Digitalisierung (Zeki, Berlin), zeigte, wie KI-Entwicklungen die Logistik unterstützen können. Er verdeutlichte, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz noch Nachholbedarf habe. Eine konsequente Digitalisierung und ein Innovationsschub durch Forschung sowie technologische Entwicklungen seien nötig. Autonome Transporter und Lieferroboter könnten neue Möglichkeiten eröffnen, seien jedoch aktuell noch teuer in der Produktion. Zudem müsse die Infrastruktur stärker digitalisiert werden.
Jan Fitzner, Geschäftsführer Druck und Logistik der Nordwest Mediengruppe (Oldenburg), und Christian Drestler, Partner Richard Consulting (Hamburg), präsentierten ein gemeinsames Projekt zur „Last Mile Optimization“. Sie zeigten, dass durch ein genaues Betrachten aller Gebäude im Liefergebiet das optimale Produkt (Print oder Digital) für jeden Kunden gefunden werden könne. Ein neu eingeführter Score, der den Deckungsbeitrag für jedes Gebäude anzeigt, erleichtere die Entscheidung, ob ein Gebäude weiterhin beliefert werden solle. Wenn nicht, könne versucht werden, die vorhandenen Kunden auf Digitalprodukte zu konvertieren. Bei der Berechnung helfe KI.
Jesper Nielsen, Geschäftsführer der Postgesellschaft Bladkompagniet (Kopenhagen), zeigte, wie sich die Zeitungszustellung zur erfolgreichen Last-Mile-Logistik entwickelt hat. In Dänemark gebe es denselben Trend wie in Deutschland: weniger Abonnenten bei steigenden Zustellkosten. Durch clevere Optimierung der Routen und Bündelung von Dienstleistungen sei es gelungen, die Zustellkosten signifikant zu senken und neue Umsätze zu generieren.
Die "Fränkischen Nachrichten" aus Tauberbischofsheim zeigten, wie eine datengetriebene Prozessoptimierung zu einer effizienten Zusteller-Abrechnung führte. Eine Neubewertung der Wegstrecken anhand neuer Straßendaten und einer neuen Geodaten-Software habe zu realistischeren Abbildungen und Einsparungen geführt, erklärte Malte Geschwinder von der gb consite (Oberschleißheim). Das Besondere an der eingesetzten Software sei allerdings, dass die Zustellmengen tagesaktuell berücksichtigt werden können, was zu einer Reduzierung der Wegzeiten führe und eine tagesaktuelle, faire Abrechnung der Zusteller möglich mache.
Dr. Sonja Boss, Justiziarin beim BDZV, erläuterte die rechtlichen Vorgaben bei der Echtzeitsteuerung in der Logistik. Sie erinnerte daran, dass Zeitungszusteller früher nach ausgetragenem Zeitungsstück vergütet wurden. Mit der Einführung des Mindestlohns und der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung habe sich dies geändert. Zustellrouten könnten angepasst und die Gangfolgen der Zusteller ggf. mit Software verfolgt werden. Verlage müssten jedoch die Zustimmung der Zusteller einholen, sofern die Apps auf den eigenen Smartphones der Zusteller installiert werden, oder sie mit einem Diensthandy samt App und GPS ausstatten. Eine dauerhafte Mitarbeiterüberwachung sei nicht zulässig.
Andreas Schumann, Vorsitzender des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP, Berlin), zeigte die Auswirkungen der Mehrwertsteuerbefreiung für Zustellgesellschaften. Anhand fiktiver Zahlenbeispiele verdeutlichte er, dass sich eine solche Befreiung lohnen könne, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sofern man Leistungen ohne Mehrwertsteuer anbiete, könne man allerdings das Vorsteuerabzugsverfahren nicht im vollem Umfang nutzen, wodurch der Deckungsbeitrag pro Sendung tendenziell verringert werde.
Zum Abschluss des Kongresstages spielten Christian Friske, Geschäftsführer der Südwest Presse Logistik (SPL, Ulm), und Michaela Butz, Leiterin Logistikplanung ein Szenario durch, bei dem die Zustellkosten pro Stück im Falle eines Aborückgangs um 50 Prozent nur um acht Prozent steigen würden, wenn die Zustellbezirke optimiert und die Verkehrsmittel strategisch geändert würden.
Die präsentierten Beispiele zeigten, dass eine kluge und zeitgemäße Verlagslogistik den Medienhäusern helfen kann, ihre Umsätze stabil zu halten oder sogar zu steigern und damit Ressourcen für den Wandel zum Digitalen zu schaffen.