Zukunftswerkstatt Vertrieb

BDZV-Vertriebsgipfel zeigt, wie der digitale Wandel gelingt

Wie kreativ der Weg zum digitalen Erfolg aussehen kann, hat einmal mehr der BDZV-Vertriebsgipfel am 7. November in Köln gezeigt. Eine zentrale Erkenntnis: Nur wer seine Leser und ihre Bedürfnisse gut kennt, kann die Kundenbeziehung erfolgreich digitalisieren und langfristige Loyalität aufbauen.

Die gut 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung bekamen Einblicke in Amedias „Digital-First“-Strategie und die Transformation der Prignitz zur „Digital Only“-Region, in den Relevanzjournalismus der Grafschafter Nachrichten und das vielfältige Abo-Angebot in Augsburg. Die Initiative „alles. plus“, Madsacks KI-Einsatz im Kundenservice und das Youngster-Abo der Pforzheimer Zeitung stehen für mutige neue Ansätze. Mit der großen Bandbreite an Best Practice-Beispielen zeigte der BDZV-Vertriebsgipfel die Vielfalt der digitalen Wege und bestätigte das Event als jährliches Branchen-Highlight.

Vertriebsgipfel 2024
BDZV

Hier ein Überblick über die Gipfel-Themen:

Reduzierte Printtage, gesteigerter Erfolg: Amedias Erkenntnisse aus Norwegen

Amedia, Norwegens größter Verlag mit über 100 lokalen Zeitungen, hat gute Erfahrungen mit einer Halbierung der Print-Zustelltage gemacht. John Kvadsheim, Executive Vice President Print and Distribution, berichtete, dass Leser die gedruckte Zeitung nur noch dienstags, donnerstags und samstags erhalten, aber täglich aktuellen Content digital konsumieren können. Das Medienhaus steigerte den Anteil digitaler Leser damit auf 73 Prozent. Die Reduzierung der Printtage war Teil der Strategie, Printleser auf digitale Angebote umzuleiten – sie war aber keine Maßnahme zur Kostensenkung.

Ein konsequentes Digital-First-Modell und ein einheitliches Login-System für alle Zeitungstitel waren für Amedia weitere wichtige Weichenstellungen, um digitale Lesegewohnheiten zu fördern. Zwei Millionen registrierte Accounts und 700.000 tägliche Nutzer belegen den Erfolg. Der Ausbau lokaler Inhalte und digitale Zusatzangebote wie Live-Streams lokaler Sportereignisse steigerten die Leserbindung weiter.

Für Amedia erwies sich die konsequente Strategie als richtiger Weg: Die Reduzierung der Print-Frequenz führte kaum zu Kündigungen. Der Preis für die gedruckte Ausgabe blieb gleich, während er für digitale Abos binnen 10 Jahren um 250 Prozent erhöht wurde.

Umstellung auf Wochenzeitung: Auswirkungen auf MOPO+ und das digitale Geschäft

Dana Schlünzen, Leiterin von MOPO+ und Digital Analytics bei der Hamburger Morgenpost (MOPO), präsentierte die erfolgreiche Transformation der Tageszeitung zur „WochenMopo“. Mit der Umstellung auf ein wöchentliches Print-Format und einer verstärkten Digitaloffensive konnte die Reichweite deutlich gesteigert werden: Die digitale Leserschaft ist heute 27-mal größer als die Print-Leserschaft, mit rund 400.000 täglichen Unique Usern im Vergleich zu 15.000 Printkäufern.

Ein vereinheitlichtes technisches Setup und neue Bundle-Optionen brachten zusätzliches Umsatzplus. MOPO+, erst Ende 2021 gestartet, ist heute in jedem Abo enthalten. Der Print-Einzelverkauf bleibt zwar ein wichtiger Vertriebskanal, die digitalen Umsätze konnten den Print-Rückgang jedoch überkompensieren. „Ein wöchentliches Printprodukt bringt uns digital voran“, so die Schlussfolgerung von Schlünzen.

Der neue Wochenrhythmus ermöglicht langfristige Planung und veränderte den Content-Ansatz: Inhalte sind magazinorientiert und konzentrieren sich auf Ausblicke statt Rückblicke. Die bisherige Erfolgsbilanz: zwölf Prozent mehr Paid-Artikel, ein Abonnenten-Wachstum von 30 Prozent und sieben Prozent Plus bei den Seitenaufrufen.

Regionale Erfolge: User Needs und smarte Paywall-Modelle in Nordhorn

Steffen Burkert, Chefredakteur Digital bei den Grafschafter Nachrichten (GN) in Nordhorn, erläuterte die Herausforderungen digitaler Abo-Modelle für ein kleines Regionalmedium.

Mit rund 3.000 Digital-Abonnenten erreichte GN ein Plateau. Erst eine datenbasierte Strategie und die Kooperation mit dem „Drive“-Projekt von dpa und Highberg brachten weiteres Wachstum. Die Drive-Initiative vereint 30 regionale Publisher, um Skaleneffekte zu erzielen und datengestützte Erkenntnisse zu gewinnen. „Wir tun uns nicht weh und können enorm voneinander lernen“, so Burkert.

Seine Erkenntnis: „Wir wissen zu wenig über das Nutzungsverhalten und schreiben an den Bedürfnissen unserer Leser vorbei.“ Nur fünf Prozent der Artikel erzielen die Hälfte der gesamten Lesezeit. Mit dem Fokus auf User Needs gelang es GN, Inhalte relevanter zu gestalten und die Verweildauer um 25 Prozent zu steigern. Die Personalisierung der Startseite und Artikel-Empfehlungen machten relevante Inhalte besser sichtbar. Mit großem Effekt: „Die Klickrate ist um 50 Prozent gestiegen“, so Burkert. Zudem wurde die Paywall dynamisch gestaltet, um Abbrüche zu reduzieren und Abos längerfristig zu halten. Seit Einführung der neuen Maßnahmen verzeichnet GN einen stabilen Anstieg der Digitalabos und eine signifikante Senkung der Kündigungsrate.

„Da steckt mehr für Sie drin“ – Neuausrichtung des PLUS-Angebots der Augsburger Allgemeine

Erik Markert, Head of Paid Content bei der Augsburger Allgemeine, stellte die Neuausrichtung des PLUS-Angebots vor. Um das digitale Wachstum anzukurbeln, schuf die Augsburger Allgemeine eine neue Paid Content-Unit, die sich auf die gesamte User Journey konzentriert - vom ersten Paywall-Kontakt bis zur Kündigung.

Eine neue Paywall-Logik förderte langfristige Abos statt einzelner Artikelverkäufe. Seit April kostet das digitale Monatsabo 10,99 Euro. Dies und ein zusätzlicher Countdown-Preis von 5,99 Euro im ersten Jahr führten zu neuen Abo-Abschlüssen. Den Zugang zu Inhalten erleichterte die Augsburger Allgemeine mit dem innovative „One-Click-Buy“-Verfahren über PayPal. Eine neue Preisstaffel-Logik, bei der treue Leser personalisierte Rabatte erhalten, steigerte die Bindung.

Content-Kooperationen mit der Washington Post sowie lokale Eventbilder und Livestreams aus Augsburg steigern zusätzlich die Attraktivität des PLUS-Angebots. „Den Seitwärtstrend von 2023 konnten wir 2024 korrigieren“, so Markert. Noch in diesem Jahr soll die Marke von 10.000 digitalen Voll-Abonnenten erreicht werden.

ALLES PLUS – Mehrwert durch Kombi-Abos für Verlage und Leser

„alles. plus“ bietet Lesern regionale und überregionale Inhalte in einem Kombi-Abo. Christine Schönfelder und Tim Thormann vom Kölner Stadt-Anzeiger präsentierten das Projekt als flexible Plattform, die über Gutschein-Codes den Zugang zu unterschiedlichen Verlagsangeboten ermöglicht. Nutzer können über das Kombi-Abo regionale Inhalte zusätzlich zu großen Anbietern wie Spiegel oder FAZ abonnieren. Regionale Verlage profitieren, indem sie ihre Sichtbarkeit auf überregionalen Portalen erhöhen.

Die Plattform „alles. plus“ ist flexibel in bestehende Abo-Systeme integrierbar und arbeitet datensparsam. Verlage behalten die direkte Kundenbeziehung. Die Konditionen sind frei wählbar: Verlage entscheiden selbst, welche Bündel oder Rabatte sie anderen Verlagen anbieten möchten. Die Teilnahme ist zudem kartellrechtlich unbedenklich.

Aktuell umfasst das Netzwerk acht Gründungsmitglieder, darunter regionale Medien sowie große Häuser wie Spiegel und FAZ. Erste Tests zeigen, dass das Kombiangebot bei Bestandskunden gut ankommt.

Die Zukunft der Medien: Junge Menschen an die Pforzheimer Zeitung binden

Mit welchen Strategien die Pforzheimer Zeitung die GenZ als Leserschaft gewinnt, stellt Sara Blessing vor. Die Leiterin Lesermarkt und Digital Marketing Managerin setzt dafür auf Instagram und TikTok. Ein sechsköpfiges Social-Media-Team bereitet Inhalte speziell für diese Kanäle auf.

Im Januar 2024 startete das Youngster-Abo für U25-Nutzer. Es kostet monatlich 2,99 Euro und zielt primär auf Imagebildung und Loyalität, nicht auf kurzfristigen Profit. Langfristig soll ein „Youngster Club“ mit exklusiven Events für junge Mitglieder folgen. „Wir müssen loyale Nutzer gewinnen, denn nur mit ihnen lässt sich Geld verdienen“, so Blessing.

Weitere Maßnahmen dazu sind die „Azubi-Weeks“, bei denen Unternehmen über ihre Auszubildenden werben können, und eine Social-Media-Serie namens „Tasty Guide“. Durch tägliche Posts und aktives Community-Management möchte das Medienhaus eine positive und moderne Marke aufbauen, die junge Menschen langfristig an die Pforzheimer Zeitung bindet.

Next-Level Kundenservice und Outboundgeschäft: Mit KI zu besseren Ergebnissen

Wie effektiv KI-gestützte Lösungen wie QNova und das Voicebot Amira den Kundenservice unterstützen, demonstrierten Tanja Bertram, Head of B2C-Marketing, Madsack Market Solutions, und Mirnesa Talovi, Head of Sales, AC Süppmayer.

Das Spracherkennungssystem QNova analysiert Dialoge in Echtzeit und ermöglicht eine umfassende Qualitätsanalyse über alle Kommunikationskanäle hinweg. Die Software liefert Sofortbewertungen, NPS-Prognosen und weitere Kennzahlen. Das schafft Transparenz und fördert die Selbstlernquote bei den Mitarbeitern. Seit August 2024 ist QNova bei Madsack für Outbound-Gespräche im Einsatz und konnte den Aufwand im Qualitätsmanagement bereits spürbar senken. Wichtig für die breite Akzeptanz war, dass der Betriebsrat frühzeitig eingebunden und Datenschutz gewährleistet war.

Auch der KI-basierte Voicebot Amira, der in über 30 Sprachen interagieren kann, kann Vertrieb und Kundenservice deutlich optimieren.

Ein Jahr Modellregion Prignitz – Learnings und Weiterentwicklungen

Wie die digitale Transformation in der Pilotregion Priognitz voranschreitet, erläuterte Andrea Domin, Leiterin Marketing und Vertrieb bei der Märkischen Allgemeinen. In der ländlichen Region hatte Madsack das Printangebot im September 2023 zugunsten eines Digital-Only-Modells eingestellt. Bewusst hatte Madsack dort nicht auf Paid Content, sondern auf das E-Paper gesetzt.

Über Veranstaltungen, Haustürgespräche und Schulungen konnten 64 Prozent der Printabonnenten für das E-Paper gewonnen werden. Auch in zwei angrenzenden Landkreisen stiegen über 60 Prozent der bisherigen Printleser auf das E-Paper um.

Die Einführung neuer digitaler Produkte wie eine News-App und einen täglichen „5 in 5“-Newsletter, der fünf wichtige Themen kurz und prägnant präsentiert, flankierten die Umstellung. Die hohe Öffnungsrate von bis zu 65 Prozent gibt dem Konzept recht.

Dass konsequent relevante Lokalthemen aufgegriffen werden, hat neue Leser gewonnen: Die Reichweite in der Region konnte verfünffacht werden.

Aber es gilt: Die digitale Transformation erfordert erhebliche personelle Ressourcen, insbesondere bei der Umstellung und Betreuung von Abonnenten. Eine klare Upsell-Strategie für Newsletter-Abonnenten und eine systematische Analyse zur Kündigungsprognose helfen, langfristig stabile Kundenbeziehungen zu sichern.