Peter Richter

Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Thema des Jahres 2024

Peter Richter, geboren 1973 in Dresden, hat Kunstgeschichte studiert und wurde mit einer Arbeit zur politischen und ästhetischen Transformation von ostdeutschen Plattenbauten promoviert. Er hat beim Deutschlandfunk volontiert, war im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, ging für fünf Jahre als Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in die USA und berichtet jetzt für das Feuilleton der SZ aus Berlin. Zu seinen letzten Buchveröffentlichungen gehören die Romane „89/90“ und „August“.

Peter Richter
privat

Im Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Direkt nach dem Terrorangriff der Hamas und Israels Militäreinmarsch in Gaza war auf einmal dieses Tuch wieder überall zu sehen, das immer mal wieder seine Konjunkturen in der Mode deutscher Jugendlicher hatte, und das auch ich eine Weile, nämlich in der Zeit um den Beitritt zur Bundesrepublik, wie selbstverständlich getragen habe - und dann irgendwann lieber nicht mehr. Die Ausgangsfrage war: Wieso eigentlich? Genauer: Wieso habe ich, mit der Dauerpräsenz von PLO-Führer Arafat im DDR-Fernsehen aufgewachsen, das sogenannte Palästinensertuch, kurz ‚Pali‘ im Westen dann als etwas kennenlernt, das mehr mit Hausbesetzern und Atomkraftgegnern zu tun zu haben schien als mit dem Nahen Osten? Und wann hat sich das warum wieder geändert? Hat man sich da nicht nur ein arabisches Kleidungsstück, sondern auch seine Symbolik im Nahostkonflikt für eher deutsche Zusammenhänge angeeignet? Und was bedeutet das heute, wo solche kulturellen Aneignungen eher kritisiert werden, „Herkunft“ und „Identität“ als politische Schlüsselbegriffe gelten und aus dem deutschen „Pali“ wieder eine arabische Kufiya wird? Das Vorhaben war also: eine mode-semiotische Geschichte aus der Bundesrepublik und der DDR, die den Nahost-Konflikt eher aus der Ferne und aus deutschen Blickwinkeln miterzählt.

Die Recherche begann mit dem eigenen ‚Pali‘, führte in die eigene Biografie und in die eigenen Erinnerungen. Die mussten gestützt, ergänzt und korrigiert werden durch Lektüre von Fachliteratur, Gespräche mit anderen ‚Palästinensertuch‘-Trägern, schließlich Archivarbeit und Online-Exkursionen in die Publikationen und Chats heillos verstrittener Fraktionen von Linksradikalen wie allerdings auch Rechtsradikalen.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Die Herausforderung bestand erstens darin, eine Ich-Geschichte zu erzählen, ohne Ich zu sagen, weil das in der Süddeutschen Zeitung – meines Erachtens zu Recht – verpönt ist. Zweitens: einen Ton zu finden, der dem Ernst der Situation im Hintergrund (Terror und Krieg) angemessen ist und gleichzeitig dem jugendlichen Impetus im Vordergrund (Distinktionsbedürfnisse, Gruppendynamiken, Modetrends) gerecht wird.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Furchtlose Freude an Erkenntnisgewinn und Selbstüberraschung.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Die nötige Zeit. Und das nötige Tempo.

Im Video: Peter Richter Kategorie Thema des Jahres

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