Justus Bender
Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Meinung 2024
Justus Bender, Jahrgang 1981, wurde Journalist, weil er die begründete Sorge hatte, als Philosophiestudent in der sicheren Arbeitslosigkeit zu landen. Also malochte er als Hospitant, bis er Autor bei Die Zeit und Redakteur bei ZEIT Campus war. Es folgte ein Arthur F. Burns Fellowship beim Boston Globe, 2011 Politikredakteur für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er schrieb die Bücher „Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland“ und „Der Plan. Strategie und Kalkül des Rechtsterrorismus“. Seit 2019 arbeitet er in der Politikredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Ich hatte etwas in der Zeitung gelesen, ich weiß nicht mehr genau, was es war. Es war einer dieser Skandale, in denen jemand ein falsches Wort gesagt hatte und Menschen tief verletzt waren, weil sie das falsche Wort gehört hatten. Und ich dachte: Eigentlich ist es doch interessant, wie sehr Linke und Rechte sich darin ähneln, als wehrlose Opfer wahrgenommen werden zu wollen, statt als starke Kämpfer. In der Arbeiterbewegung, der Bürgerrechtsbewegung, der Frauenbewegung und der Homosexuellenbewegung war das ganz anders gewesen, da ging es darum, gemeinsam stark zu sein: Klassenkampf! Black Power! Frauenpower! Gay Pride! Heute jammern Leute von der AfD schon, wenn ihnen jemand ins Wort fällt. Und Studenten verlangen Safe Spaces. Der sonst so autoritäre Donald Trump beschwert sich weinerlich, wie ungerecht alle zu ihm sind. Es ist also nichts Politisches. Es betrifft alle. Ich wollte wissen: Ist das wirklich so? Und ist es gut, wenn alle mehr Empathie für sich fordern, oder kann das auch kippen in eine autoritäre Haltung? Die Recherche bestand darin, mit Fachleuten aus den unterschiedlichsten Disziplinen darüber zu sprechen, wie ungewöhnlich der aktuelle Zeitgeist ist und was ihn hervorgebracht haben könnte. Das reichte von der Literaturwissenschaftlerin, die sich mit der Epoche der Empfindsamkeit beschäftigt, bis zu einer Gefühlshistorikerin, die das Gefühl der Verletzlichkeit verfolgt.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Ich wollte vom Leser als jemand wahrgenommen werden, der nicht selbst teilnimmt an einem Kulturkampf von Rechten gegen Linke und Linken gegen Rechte. Sondern als jemand, der etwas Interessantes über die gesamte Gesellschaft erzählen kann. Es sollte um die Sache selbst gehen.
Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?
Von meinem Vorgesetzten Richard Wagner, der fand, dass sich dieser Text gut als Titelgeschichte eignet. Und von der stellvertretenden Art Directorin Nina Hewelt, die die Idee hatte, eine sehr treffende Illustration mit Wattebauschmenschen bei dem wunderbaren Illustrator Serge Bloch in Auftrag zu geben.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Gute Journalisten gehen nur Fragen nach, auf die sie am Anfang der Recherche noch keine Antwort wissen. Besonders die heiklen, schwierigen Fragen unserer Zeit dürfen nicht denen überlassen werden, die plumpe, unreflektierte Antworten darauf geben. Wer solchen Fragen im Detail nachgeht, weil er eine Antwort wissen will, und nicht um zu polemisieren, merkt schnell, wie interessant sie sind und wie lohnend es war, sie nicht gescheut zu haben. Schon nach dem dritten „Und warum ist das so?“ wird es selbst bei anfänglich banal oder schmuddelig wirkenden Fragen interessant.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Eine überraschend gute Antwort auf eine Frage, die einen schon länger umgetrieben hat.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Begegnungen mit vielen interessanten Menschen aus unserer Branche.