Nominierter Text „Wem gehört das Wasser?“

Helen Krueger-Janson

Insgesamt gibt es vier Folgen von "Wem gehört das Wasser?" Die Folgen behandeln jeweils einen weiteren Aspekt der Wasserknappheit in Bayern. Darunter: die Wasserpolitik der bayerischen Regierung, Verteilungskämpfe um Wasser, die immer häufiger vor Gericht landen, die Verantwortung der unterschiedlichen Verbraucher und Lösungsansätze von Expertinnen und Experten.

Illustration
Lina Müller
Helen Krueger-Janson

Wussten Sie, dass Sie was Verbotenes machen, als Sie sich das Wasser geholt haben?

 

Jochen Meindl

Dass es verboten ist, in dem Fall nicht. Aber ja, das ist ein bisschen so eine Grauzone. Ist diese Bohrung jetzt genehmigt oder nicht? Wem gehört der eigentlich?

 

Helen Krueger-Janson

Und der läuft ins Grundwasser runter?

 

Jochen Meindl

Ja.

 

Helen Krueger-Janson

Man hat jetzt nicht das Gefühl, dass man da irgendwie der Allgemeinheit was wegnehmen würde?

 

Jochen Meindl

Nein, überhaupt nicht. Okay.

 

Helen Krueger-Janson

Das ist Jochen Meindl. Er ist Landwirt und hat im vergangenen Sommer Wasser geklaut. Meindl heißt eigentlich anders und klingt auch ein bisschen anders, aber er wollte gerne anonym bleiben.

 

Jochen Meindl

Ein bisschen schlechtes Gewissen hat mich schon geplagt, aber die Not war dann doch so groß, dass wir gesagt haben: „Brunnen auf dem Niemandsland - wird schon genehmigt sein."

 

Jochen Meindl

Das ist ja schon cheeky.

 

Jochen Meindl

Ja, nötig war es. Man hat sich halt weggeduckt und gesagt: „Es ist noch immer gut gegangen.", oder?

 

Helen Krueger-Janson

Und wie lange hat es gedauert, nachdem Sie das Wasser genommen haben, bis der Brief von der Polizeiinspektion …

 

Jochen Meindl

Zirka vier Wochen.

 

Helen Krueger-Janson

Meindl darf seine Felder nicht bewässern, weil er keine Lebensmittel anbaut, sondern Biogas, also Energie, aus den Zuckerrüben von seinen Feldern herstellt. Eine sehr deutsche Regel, wie ich finde. Aber auch andere Landwirte pumpen illegal Wasser. In ganz Bayern kommt es zu Vorfällen.

 

Günther Priem

Also das kommt immer wieder vor. Sie wissen, dass Sie es nicht dürfen, aber Sie müssen erst einmal erwischt werden.

 

Helen Krueger-Janson

Das ist Günther Priem. Er arbeitet in der zuständigen Wasserbehörde im nordbayerischen Oberfranken. Dort fahren Landwirte an Flüsse und Bäche und pumpen tonnenweise Wasser in Tanklaster, um ihre Felder zu bewässern.

 

Günther Priem

Die gingen dann her mit ihren entsprechenden Anhängern, das sind Kesselwagen, die teilweise sieben, acht Kubikmeter fassen, haben sehr starke Pumpen und die pumpen das dann in die Oberflächengewässer rein. Und da ist halt einfach die Abwägung: Mache ich jetzt eine Überschreitung von Sachen, die ich nicht darf, oder ich erlös mehrere? Mancher tendiert halt dazu, zu quasi: „Ich werde schon nicht erwischt werden."

 

Helen Krueger-Janson

Die Wasserbehörden haben dann ihre Kontrollen verschärft, aber um das richtig kontrollieren zu können, fehlt ihnen das Personal. Ein paar haben sie erwischt, aber bestimmt nicht alle. So richtig fair ist das auch nicht. Viele von uns denken im Alltag daran, Wasser zu sparen, drehen beim Zähneputzen den Wasserhahn zu, duschen kürzer, als wir es wollten oder verwenden Regenwasser für die Gartenpflanzen. Und Landwirte wie Meindl pumpen unerlaubt tausende Tonnen von unserem Wasser? Schon jetzt sinkt das Grundwasser, aus dem auch unser Trinkwasser gewonnen wird. Letzten Sommer musste der Bürgermeister der Gemeinde Hurlach, zwischen Landsberg und Augsburg, die Bürgerinnen dazu aufrufen, nur nachts ihre Rasen zu sprengen, kürzer zu duschen und keine Pools aufzustellen, um ihre Wasserversorgung nicht zu gefährden. Aber die Landwirte hatten einen triftigen Grund dafür, dieses Wasser illegal zu pumpen. Der Sommer 2022 war stellenweise so trocken, dass die Felder verdorrten und manche sogar in Flammen aufgingen und sie hatten Angst, ihre Ernte zu verlieren. Aber trotzdem: Wasser ist ein Allgemeingut. Etwas, das theoretisch uns allen gehört. Und es bleibt nicht bei Landwirtinnen und Bauern, die illegal Wasser abzapfen. Beim Wasser geht es generell nicht gerecht zu, besonders in Bayern.

 

Sprecher 5

Es regnet zu wenig. Es wird wärmer und trockener. Dürre - man spürt das. Miese Ernten.

 

Helen Krueger-Janson

Ich spreche mit Politikern wie Markus Söder, der sich wasserpolitisch immer wieder umentscheidet, mit Landwirten, die zu wenig Wasser haben oder keinen Brunnen bekommen, mit Behörden, die keine Übersicht haben und schließlich mit dem Chef der Augsburger Brauerei Riegele, die das originale Spezi herstellt und 28.000 Flaschen pro Stunde abfüllt, aus unserem Grundwasser. Und alles, um letztendlich die Frage beantworten zu können: Wem gehört das Wasser? – Ein Podcast der Augsburger Allgemeinen. Ihr hört die erste Folge: Illegal, legal, egal. Ich bin Helen Krüger-Jansson und ich suche mit euch die Antwort auf diese Frage. Denn eigentlich gehört Wasser uns allen. Schließlich ist Wasser ein Allgemeingut. Aber die Realität sieht anders aus, besonders in Bayern. Meindls Biogasananlage, außerhalb von Augsburg. Zwei riesige grüne Ballon-Dächer decken die beiden kreisrunden Hallen ab, in denen er Energie erzeugt. Drumherum liegen die Felder, auf denen Meindl Mais und Zuckerrüben anbaut. Vor mir fährt einer seiner Mitarbeiter Zuckerrüben mit einem Bagger vor die Anlage, um sie zu füttern. So nennen die Landwirtinnen und Bauern das. Die Rüben vergären dort mit Tiermist bei hohen Temperaturen und erzeugen so Biogas. Der Chef ist noch nicht da, oder? Nein. Okay. Wie sieht er denn aus? Wann bist du gekommen? Was? Ist sie gekommen? Ist sie gekommen? Er müsste ja kommen. Er müsste ja kommen. Okay. Aber in was für einem Auto kommt der ungefähr? In einen Caddie. Okay. Danke schön. Ich warte noch ein bisschen, dann kommt Jochen Meindl mit seinem Caddie angefahren. Aus steigt ein Mann mittleren Alters in kaki-farbenee Arbeitshose, grünem Sweater und reicht mir seine rauhe Hand.

 

Helen Krueger-Janson

Hallo, Krüger-Jansson.

 

Jochen Meindl

Freut mich.

 

Helen Krueger-Janson

Habt ihr so ein bisschen Mühe gemacht? Nein.

 

Helen Krueger-Janson

Wir sitzen in seinem Büro im ersten Stock. Sein Schreibtisch am einen Ende des großen Raumes über seiner Lagerhalle, wir an einem kleinen Tisch am anderen Ende. Im Hintergrund wummert seine Biogasanlage. Ich möchte wissen, was dazu geführt hat, dass er unerlaubt Wasser gepumpt hat.

 

Jochen Meindl

Nachdem es so heiß war, es waren Zuckerrüben - die haben dann einfach hier die Blätter hängen lassen. Ja, zuerst stellen Sie das Wachstum ein und dann werden die Blätter welk und die liegen dann am Boden. Und genau diesen Zeitraum wollten wir überbrücken.

 

Helen Krueger-Janson

Und was wären Ihre Einbußen gewesen, finanziell, wenn Sie das nicht gemacht hätten?

 

Jochen Meindl

Auf diesem Fünf-Hektor-Schlag, würde ich mal sagen, 8 bis 12.000 Euro?

 

Helen Krueger-Janson

Das ist ja schon nicht wenig, oder?

 

Jochen Meindl

Ja. Zusätzlich: Das ist ja nicht nur eine finanzielle Einbuße. Das eigentliche Problem ist ja, dass ich dann entweder wenn ich keine Zuckerrüben habe, die bei der Zuckerfabrik abzuliefern und ich habe da auch eine Lieferverpflichtung. Oder wenn die Rüben in die Biogasanlage gehen, fehlt das Futter ja auch.

 

Helen Krueger-Janson

Er braucht die Früchte vom Feld, sonst läuft die Anlage nicht. Und seine Kunden erwarten seine Lieferung.

 

Jochen Meindl

Das Schwierige ist natürlich, man hat als Landwirt, erfolgreich zu sein, circa 30 Ernten. Und dann ist die nächste Generation da. Das ist also nicht viel. Man hat 30 Versuche, auf dem Acker das gut zu machen, was ...

 

Helen Krueger-Janson

Und wenn es nicht inhaut?

 

Jochen Meindl

Ja, dann haben sie immer wieder eine Niete gezogen. Das Ziel ist mehr Treffer als Nieten zu machen.

 

Helen Krueger-Janson

Das klingt jetzt erst mal so, als wollte er sich wirtschaftlich nicht blamieren, aber er hat ja auch nicht einfach so illegal Wasser gepumpt. Was hat denn dazu geführt, dass es für ihn notwendig war?

 

Jochen Meindl

Was auffallend ist, ist, dass die Jahre, in denen es Wassermangel gibt, einfach: Die Abstände werden enger.

 

Helen Krueger-Janson

Und welche Jahre waren jetzt besonders schlimm für Sie?

 

Jochen Meindl

Pflanzenbaulich gesehen, meine ich, war 2003, ein sehr extremes Jahr. 2018 müsste das gewesen sein, wo auch es sehr trocken war und jetzt das Letzte auch.

 

Helen Krueger-Janson

Kein Regen, kein Niederschlag, Trockenheit, Dürre. Und Meindl konnte hierbei in seinen fast 30 Jahren im Betrieb etwas ganz genau beobachten.

 

Jochen Meindl

So wie dieses Jahr, so extrem war es eigentlich über so einen langen Zeitraum so heiß und keine Niederschläge zwischendrin - kann ich mich jetzt im Augenblick nicht daran erinnern. Es kann ja mal heiß sein und wenn es nach 14 Tagen wieder mal einen Tag regnet oder Schauerwetter ist, dass es wieder ein bisschen runterkühlt, aber es war ja wirklich über acht Wochen heiß und trocken.

 

Helen Krueger-Janson

Welche Wochen waren das?

 

Jochen Meindl

Weiß ich nicht. Irgendwann im Juni hätten wir dann mal wirklich auf Regen gewartet und da gab es dann keinen.

 

Helen Krueger-Janson

Wochenlang kein Regen. Bilder von verdorrten Maisfeldern in den Nachrichten. Irgendwo in Franken sitzen der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber und der Oppositionsführer Ludwig Hartmann von den Grünen in einer Gesprächsrunde und hören Landwirten zu, die über die Dürre klagen. In der Nähe von Augsburg brennen Getreidefelder und der Bayerische Bauernverband berichtet von extremen Ernteschäden durch die Trockenheit. In Europa herrscht die schlimmste Dürre seit 500 Jahren. In absoluten Zahlen hat es aber mehr geregnet als die Jahre zuvor. Wie kann das sein?

 

Thomas Deutschländer

Das sind aber dann starken Niederschläge, die dann eben sehr lokal und sehr schnell fallen, also mit sehr hoher Intensität, und die werden dann einfach vom Boden nicht so aufgenommen, fließen oberirdisch ab und stehen dann einfach den Boden und damit natürlich auch den Pflanzen schlechter zur Verfügung.

 

Helen Krueger-Janson

Das ist Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst, der höchsten deutschen Behörde in Sachen Klima. Also kein Gewinn für trockene Felder. Aber auch eine Gefahr für unser Trinkwasser. Denn wenn der Boden den Regen nicht aufnimmt, kann er auch nicht ins Grundwasser sickern, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen. Aber der Starkregen ist nicht das einzige Problem.

 

Thomas Deutschländer

Es ist nicht nur der Niederschlag, der entscheidend ist dafür, wie viel Wasser der Boden wirklich hat beziehungsweise vorrätig behält, sondern auch die Verdunstung. Eine ganz wichtige Größe. Gerade im Sommer haben wir in Deutschland auch durchaus eine relevante Verdunstung. Also sprich, dass das Wasser dem Boden erzogen wird.

 

Helen Krueger-Janson

Gleichzeitig werden die kalten Perioden im Winter kürzer, in denen sich das Grundwasser eigentlich wieder neu bildet. Etwas, das auch Meindl auf seinen Feldern bemerkt.

 

Jochen Meindl

Also wenn ich jetzt sehe, von meiner Ausbildung weg zu heute, dann können wir deutlich früher bereits ..., stellen wir fest, dass deutlich früher das Wachstum beginnt und auch in den Herbst länger Wachstum möglich ist. Und auch die entzieht den Boden das Wasser, macht Vegetation und damit ist eigentlich weniger Wasser da, das in den Grundwasserkörper abdriftet, also diese Regeneration.

 

Helen Krueger-Janson

Das Grundwasser ist das Wasser, das als Regen, Schnee oder Tau durch die vielen Erdschichten sickert, von den verschiedenen Gesteinen gesäubert wird und sich dann auf einer bestimmten Höhe, dem sogenannten Grundwasserstockwerk, ansammelt. Von da entnehmen es dann Landwirte, Wasserversorger, Industrien und alle anderen mit einem eigenen Brunnen.

 

Thomas Deutschländer

Ich würde sogar davon ausgehen, dass die Verdunstung zukünftig, zumindest potenziell, zunimmt.

 

Helen Krueger-Janson

Trockene Böden nehmen weniger Wasser auf, mehr verdunstet und die trockenen Phasen werden länger. Kommt dann im Winter überhaupt noch genug an, um den Sommer zu überstehen

 

Thomas Deutschländer

Also das Wasser, was im Winter dazukommt, wieder, hat nach dem, was ich glaube, zu wissen, in Sachsen schon die Defizite, die im Sommer durch die Trockenperioden entstanden sind, nicht mehr ganz ausgeglichen. In den restlichen Gebieten Deutschlands habe ich so was noch nicht gehört oder aus den restlichen Gebieten von Deutschland.

 

Helen Krueger-Janson

Da aus dem Grundwasser auch unser Trinkwasser gewonnen wird, entnehmen Wasserversorger wie die bayerische Rieswasserversorgung oder die Stadtwerke Augsburg es aus Brunnen, bereiten es auf und schicken es durch Rohre bis hin zu unserem Wasserhahn. So gelangen durch die Rohre der Stadtwerke Augsburg knapp 17 Millionen Tonnen Wasser pro Jahr an über 300.000 Kunden. Jeder und jede von uns zahlt dafür, dass das Wasser bei uns zu Hause aus den Wasserhähnen fließt, mit dem wir kochen, putzen, duschen oder trinken können. Das gilt allerdings für niemanden, der einen eigenen Brunnen hat. Unternehmen wie Brauereien, die daraus Bier und Spezie herstellen oder Molkereien die daraus Joghurt machen. Sie entnehmen tonnenweise Grundwasser aus Brunnen und zahlen keinen Cent dafür. Oder wie es beim Wasser heißt: keinen Wassercent. Ja, richtig gehört. In Bayern gibt es keinen Wassercent. Heißt: Unternehmen in Bayern müssen keinen Cent für das Wasser zahlen, das sie aus unserem Grundwasser entnehmen. In 13 von 16 deutschen Bundesländern gibt es ihn. Nur in Bayern, Essen und Thüringen nicht. Auch LandwirtInnen dürfen kostenlos Grundwasser entnehmen. Vorausgesetzt, sie bauen Lebensmittel an. Aber dann kommen wie Meindl noch die hinzu, die es eigentlich nicht dürfen, aber trotzdem tun.

 

Jochen Meindl

Ich war in der glücklichen Lage, dass meine Bestände Wasser brauchten und es bei uns Wasser gibt. Ich war auch im Unterfranken dieses Jahr mal. Die hätten das Wasser dringender gebraucht, weil die sowieso mit weniger Niederschlag kämpfen, aber die haben halt auch keines. Es gibt nicht … Bei uns macht man ein Loch fünf Meter tief und steht im Wasser und bei denen kann man 100 Meter graben ...

 

Helen Krueger-Janson

Bayerische Landwirte leiden jetzt schon unter der Dürre durch den Klimawandel, besonders in Nordbayern. Aber auch in Schwaben ging es vielen wie Meindl. Aber Sie und andere haben Wasser aus diesem Brunnen entnommen?

 

Jochen Meindl

Dieses Jahr nicht.

 

Helen Krueger-Janson

Nur Sie?

 

Jochen Meindl

Ich rede jetzt mal von mir. Ich habe in diesem Jahr aus diesem Brunnen Wasser entnommen. Okay.

 

Helen Krueger-Janson

Im Gegensatz zu Meindl haben mir das viele Ämter und LandwirtInnen bestätigt. Wie viele es waren, wird man nie genau sagen können. Aber eine gewisse Einschätzung zu bekommen, habe ich mit den Wasserwirtschaftsämtern in Bayern gesprochen. Das sind die Fachbehörden im Land, die festlegen und kontrollieren sollen, wie viel Wasser ein Landwirt entnehmen darf. Und siehe da: In ganz Bayern haben Bauern und LandwirtInnen unerlaubt, Wasser gepumpt. In Franken beispielsweise sind sie an Seen und Flüsse gefahren, haben Schläuche ins Wasser gehängt und dort ihre Tanklaster oder Fässer voll gepumpt. Aber ist das denn so dramatisch? Können wir das als wasserreiches Deutschland nicht einfach verkraften? Daten der NASA zeigen, Deutschland hat in den letzten 20 Jahren ziemlich viel Wasser verloren. Und die Daten zeigen auch einen anhaltenden Negativ-Trend. In den letzten 20 Jahren haben wir hier circa 2,5 Gigatonnen Wasser verloren. Das ist ungefähr die Menge des Wassers im Bodensee. Über 60 Prozent der Grundwasserstände in Bayern sind außerdem anhaltend niedrig oder sogar sehr niedrig. Und laut bayerischem Umweltminister hat die Neubildung des Grundwassers in den letzten zehn Jahren erheblich abgenommen und er warnt vor einem Grundwassernotstand. Ich möchte jetzt aber erst mal von Meindl wissen, wie er überhaupt an das Grundwasser herangekommen ist.

 

Jochen Meindl

Ja, wir können einen ...  da müsste ich den Brunnen mal anschauen. Das ist zwar dann der Feuerlöschbrunnen vom Standort hier, aber der sieht so aus wie alle anderen auch. Also wenn das helfen würden.

 

Helen Krueger-Janson

Ich glaube, ich müsste den Originalbrunnen sehen. Ich möchte natürlich den richtigen Brunnen sehen, den, aus dem er auch das Wasser gepumpt hat, aber Meindl ziert sich ein bisschen. Vielleicht möchte er nicht in der Nähe des Brunnens gesehen werden. Er ist aber bereit, mir seinen Feuerlöschbrunnen zu zeigen, der sähe genauso aus. Wir stehen also auf und gehen nach draußen. Aber weiß man, wie lange das Verfahren noch geht?

 

Jochen Meindl

Eigentlich müsste jetzt die Entscheidung von der Behörde kommen, die dann einfach sagt, das ist die Strafe und dann halt annehmen oder nicht.

 

Helen Krueger-Janson

Aber nochmal machen würden Sie es wahrscheinlich nicht, oder?

 

Jochen Meindl

Ja, dann ist es ja vorsätzlich. Also jetzt kommen wir vielleicht raus mit grob fahrlässig, aber wer es dann vorsätzlich macht, das … Da geht es ja dann noch mal was anderes. Die Biogasanlage ist eine GmbH und Co. KG und wenn ich solche Sachen vorsätzlich macht, dann wird meine persönliche Zuverlässigkeit die Frage gestellt. Es gibt einen Eintrag im Führungszeugnis und dann ist die Frage, ob ich noch Geschäftsführer von der GmbH sein darf.

 

Helen Krueger-Janson

Das hat ja gleich noch mal persönliche... Das heißt, jetzt werden sozusagen nicht Sie persönlich belangt, sondern die Firma.

 

Jochen Meindl

Das versuchen wir jetzt mal jedenfalls noch abzuwenden. Aber dann mit Vorsatz wird es natürlich extrem schwierig.

 

Helen Krueger-Janson

Bayern prüft derzeit einen Fall, wo ein Landwirt seine Wasseruhr hat rückwärts laufen lassen sollen. Jeder Bauer und jede Landwirtin, die anders als Meindl Wasser pumpen dürfen, müssen eine Wasseruhr mitlaufen lassen. So kann stichprobenartig überprüft werden, ob sie sich auch an ihre erlaubte Pumpmenge halten. Ihr kennt das vielleicht vom Wasserzähler im Haus. Pumpt der Landwirt oder die Landwirtin Wasser, dann zählt die Uhr von 0 bis, sagen wir, 1.000 Litern mit. Danach müssen sie aufhören. Eigentlich. Aber was, wenn sie mehr Wasser brauchen? Dieser eine Landwirt soll die Uhr rückwärts laufen lassen haben. Er pumpt also weitere Tonnen und die Uhr läuft zurück auf 0. Dieses Spiel kann er so oft machen, wie er möchte. Es weiß ja dann niemand, wie viel Wasser er tatsächlich entnommen hat. Aber wie kann es sein, dass der Wasserklau und auch der Verstoß gegen Pumpgenehmigungen in Bayern so einfach ist? Wir bleiben zwischen zwei seiner Felder stehen, mit Blick auf seine Biogasanlage in einer Art gekießten Einfahrt. Am Ende steht ein Laster mit einer Ladefläche, auf der ganz viele Rohre liegen. Ich dachte immer, so ein Brunnen sieht aus wie im Märchen Aber da habe ich ziemlich weit gefehlt.

 

Jochen Meindl

Das ist ein Schacht mit einem Meter Durchmesser, der in den Grundwasserkörper reinbaggert worden ist.

 

Helen Krueger-Janson

Ganz plump gesagt: Es ist eine Art Gullideckel auf einem Betonsockel, der einen halben Meter aus der Erde ragt. Ziemlich unspektakulär. Aber an diesem Gulli ist kein Schloss. Etwas, was mir während der Recherche immer wieder aufgefallen ist: offene Brunnen, wo jeder herauspumpen könnte, was er will. Okay, und hier sind die Rohre da hinten?

 

Jochen Meindl

Das sind die Rohre, ja. Und man nimmt dann aus dem Wasser, ich sage mal Pumpe und fährt aufs Feld damit. Also man pumpt das über Rohrleitungen dann aufs Fels, so eine Beregnungsmaschine, die dann die Sache ausbringt.

 

Helen Krueger-Janson

So eine Beregnungsmaschine habt ihr bestimmt mal gesehen, als ihr an Feldern vorbeigefahren seid. Eine große Trommel, um die der lange Schlauch herum gewickelt ist und vorne spritzt Wasser heraus. Ein bisschen wie beim Gartenschlauch in riesig. Und wo sind die Zuckerrübenn, in welche Richtung?

 

Jochen Meindl

Geradeaus, bei dem Wald da drüben.

 

Helen Krueger-Janson

Und wie viel Hektar haben Sie an Zuckerrüben?

 

Jochen Meindl

Im Ganzen haben wir gute 10 Hektar und das waren fünf Hektar, die wir da bewässert haben.

 

Helen Krueger-Janson

Das ist ja nur die Hälfte gewesen.

 

Helen Krueger-Janson

Ja, die anderen haben wir halt zwei Glase?????. Weil das kostet ja auch Geld. Ich meine, diese Pumpe verschlingt in der Stunde 15 Liter Diesel und für einen Hektar brauche ich acht bis zwölf Stunden. Da geht es also weniger um den finanziellen … Also ja, es gibt einen finanziellen Mehrertrag, absolut gesehen, aber das ist schon zusätzlicher Aufwand, der normalerweise gar nicht nötig wäre.

 

Helen Krueger-Janson

Jochen Meindl ist ziemlich angefressen. Für ihn war das viel Aufwand, diese trockenen Felder zu beregnen.

 

Jochen Meindl

Und die eigentliche Sicherheit ist halt, ich habe Futter für, in dem Fall, die Biogasananlage, für die Betonkuh.

 

Helen Krueger-Janson

Betonkuh.

 

Jochen Meindl

Sagt man so.

 

Helen Krueger-Janson

Man sagt Betonkuh zu …

 

Jochen Meindl

Ja, früher hat man gesagt, eine Biogasananlage sind 200 Kühe. Und jetzt ist die halt die Betonkuh.

 

Helen Krueger-Janson

Wie sieht das denn das Wasserwirtschaftsamt, was Meindl da gemacht hat? Ich habe Raimund Stern gefragt. Er ist bei der technischen Gewässeraufsicht, also für die Kontrollen und Verstöße zuständig.

 

Raimund Stern

Es gibt halt ein Wasserrecht oder es gibt halt ein Wasserhaushaltsgesetz und es gibt ein bayerisches Wassergesetz, wo halt letztendlich drin steht, dass man für eine Entnahme von beispielsweise Grundwasser zu Beregnungszwecken oder zu Bewässerungszwecken oder auch für entsprechende Industrienutzungen im Prinzip eine wasserrechtliche Genehmigung braucht. Wenn jetzt einer schwarz entnimmt in dem Sinn, dann ist das natürlich letztendlich auch technische Gewässeraufsicht oder vielleicht sogar Aufgabe der Polizei, letztendlich natürlich dann nachzuweisen beziehungsweise ihm entsprechend verbieten, was zu entnehmen. Also was jetzt schwarz ist, das hat man natürlich im trockenen Jahr relativ oft oder gehabt, dass natürlich auch hier entsprechende Entnahmen passiert sind, die halt letztendlich nicht genehmigt waren.

 

Helen Krueger-Janson

Also sind sich die Ämter der Verstöße bewusst. So richtig konnte ich aber nicht erfahren, was in Zukunft dagegen unternommen werden soll. Ob Sie währenddessen das Gefühl hatten, dass Sie vielleicht was falsches machen?

 

Jochen Meindl

Ein bisschen schlechtes Gewissen hat mich schon geplagt, aber die Not war dann doch so groß, dass wir gesagt haben: „Brunnen auf dem Niemandsland, wird schon genehmigt sein. Vielleicht hat ja ein Landwirt eine Genehmigung für den Brunnen. Ich nutze es jetzt einfach.

 

Helen Krueger-Janson

Aber dann hätten Sie …

 

Jochen Meindl

Die Genehmigung liegt auf dem Brunnen.

 

Helen Krueger-Janson

Das heißt, Sie haben auch niemandem, der auch Landwirt ist, theoretisch die Rechnung erhöht?

 

Jochen Meindl

Ja, weil jeder Landwirt für sich die Dokumentation dann zu übernehmen hat.

 

Helen Krueger-Janson

Okay. Das ist ja schon cheeky.

 

Jochen Meindl

Ja.

 

Helen Krueger-Janson

Aber es war anscheinend nötig.

 

Jochen Meindl

Nötig war es. Man hat sich halt weggeduckt und hat meins … Ja, ich dachte: „Ist doch noch immer gutgegangen", oder?

 

Helen Krueger-Janson

Und wie lange hat es gedauert, nachdem Sie das Wasser genommen haben, bis der Brief von der Polizeiinspektion …?

 

Jochen Meindl

Zirka vier Wochen.

 

Helen Krueger-Janson

Ich habe mir den Brief mit der Anzeige mal angeschaut. Darin wird ihm der Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz vorgeworfen und innerhalb einer Woche kann er dazu Stellung beziehen. Die Worte „innhalb einer Woche hat Meindl sich mit einem gelben Highlighter markiert. Was Meindl aber am meisten verwundert, ist, dass die Polizei ihn nicht davon abgehalten hat.

 

Jochen Meindl

Was mich schon gewundert hat: Es war ja offensichtlich, zu dem Zeitpunkt, wo die Polizei vor Ort war. Ich habe es nicht mitgekriegt, aber die haben eine laufende Beregnungsmaschine gesehen und sie haben das ja dann nicht unterbunden.

 

Helen Krueger-Janson

Aber wie lange lief denn ihre Beregnungsmaschine?

 

Jochen Meindl

Vom Zeitpunkt dessen, wo die Anzeige aufgenommen wurde oder wo die Beweissicherung vor Ort durchgeführt wurde, noch einen Tag. Also noch 24 Stunden, die läuft ja durch.

 

Helen Krueger-Janson

Und die lief irgendwie 48 Stunden, oder?

 

Jochen Meindl

Die hat man mehrmals aufgebaut. Man macht ja immer so eine Rechnung auf dem Feld, dass man abberegnet.

 

Helen Krueger-Janson

Also Meindl hatte Angst um seine Ernte und hat deswegen gegen das Wasserhaushaltssgesetz verstoßen. Dass er seine Rüben generell nicht bewässern darf, über diese Regel lässt sich streiten. Aktuell werden aber in Deutschland drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen bewässert. Laut Prognosen könnten in 30 Jahren schon über ein Viertel aller Felder darauf angewiesen sein. Und Klimaforscher vom Karlsruhe Institut für Technologie prognostizieren, dass Ende dieses Jahrhunderts, Hitzesommer wie im Jahr 2003 alle zwei Jahre stattfinden sollen. Sind die Sommer dann so trocken, dass wir irgendwann mehr Wasser verbrauchen, als sich regenerieren kan? Schon jetzt haben Länder in Europa Wasserstress. So nennt man das, wenn es mehr als 20 Prozent des verfügbaren Grundwassers verwendet. Dann wird es mit der Regeneration richtig schwierig. Am schlimmsten ist die Situation derzeit in Griechenland und Spanien. Aber auch Nachbarländer von uns, wie die Niederlande, Polen und Frankreich, leiden jetzt schon unter Wasserstress. Und haben Sie dann einen Unterschied gesehen zwischen den Zuckerrüben, die Sie bewässert haben, und denen, die Sie nicht bewässert haben?

 

Jochen Meindl

Also im Feld gab es so kleine Spots, wo man nicht hingekommen ist und da, wo man nicht bewässert hat, war die Lücke wirklich … Da hat es kein Blatt mehr gehabt.

 

Helen Krueger-Janson

Kein Blatt?

 

Jochen Meindl

Kein Blatt.

 

Helen Krueger-Janson

Dann hat das Beregnen wenigstens etwas gebracht. Wenn auch, zuallererst ihm und seinen Vertragskunden. Legal war es trotzdem nicht. Wo auch immer ihr gerade seid, da ist es bestimmt wärmer, als es im Durchschnitt noch vor 70 Jahren war. Unser Planet erwärmt sich. Das wissen wir mittlerweile alle. Diese vielen heißen und trockenen Tage hintereinander im Sommer, über die wir uns freuen, weil sie perfekt sind für einen Tag im Schwimmbad oder am See, sie sind der Albtraum für Landwirte und damit auch für einen Teil der Wirtschaft und Lebensmittelproduktion. Aber was macht das mit unserer wichtigsten Ressource? Mit dem, woraus unser Körper zur Hälfte besteht? „Wasser ist Leben", haben mir viele in dieser Recherche gesagt. Und die Prognosen sehen nicht wirklich gut aus.

 

Petri Thalas

Heute haben wir rund 2,3 Milliarden Menschen, die unter Wasserproblemen leiden. Und bis 2050 erwarten wir bis zu 5 Milliarden Menschen, die darunter leiden.

 

Helen Krueger-Janson

Das sagt der Generalsekretär der Weltorganisation der Meteorologie der UN, Petri Thalas. Auch Deutschlands größter Stausee, der Edersee in Hessen, hatte 2022 nur noch knapp 13 Prozent seiner eigentlichen Füllmenge. Laut Weltklimarat werden Auswirkungen der Klimaerwärmung wie Dürren weiter zunehmen. Und wir in Deutschland spülen unsere Toiletten mit Trinkwasser. Das klingt jetzt erst mal alles ziemlich unorganisiert und irgendwie sinnlos, vielleicht sogar ein bisschen deprimierend. Aber dieser Podcast soll euch nicht deprimieren, sondern vor allem aufklären und zeigen, was in Bayern eigentlich so getan wird, wenn es um unser Wasser geht. Und vor allem, was in Bayern nicht getan wird. Im Klimaland Bayern, wie es die bayerische Regierung gerne nennt. Eine Sache spielt dabei für mich die wichtigste Rolle: Der Wassercent. Damit könnten Millionen an Einnahmen generiert werden, mit denen man Wasser besser auffangen und in den Grundwasserkörper zurückführen könnte. Geld, das für den Ressourcenschutz verwendet wird. Geld für unser Wasser, das Unternehmen, Energieversorger und LandwirtInnen in Bayern nicht zahlen, wenn sie einen eigenen Brunnen haben. Brauereien, Molkereien: Keinen Cent zahlen sie für die Millionen an Litern, die sie aus der Erde pumpen, daraus Bier oder Joghurt oder Spezi zu machen. Getränke mit Wasser als größtem Anteil. Das kommt mir ziemlich komisch vor, besonders wenn jemand wie Meindl und andere LandwirtInnen ihre Felder in Zukunft auch nicht bewässern sollen. Und vor allem, wenn Deutschland damit laut EU-Kommission gegen geltendes EU-Recht verstößt. Deswegen fühle ich in der nächsten Folge der Politik auf den Zahn und schaue, warum die bayerische Regierung den Wassercent nicht einführt. Ich fahre in den Landtag zu unserem Umweltminister Thorsten Glauber und nach Landsberg am Lech in den Heimatort von Ludwig Hartmann, dem Oppositionsführer von den Grünen. Aber zuallererst frage ich mal Markus Söder, warum es in Bayern keinen Wassercent gibt. Mal schauen, was er dazu sagt.

 

Sprecher 5

Es regnet zu wenig. Es wird wärmer und trockener. Miese Ernte...

 

Helen Krueger-Janson

Das war die erste Folge von „Wem gehört das Wasser? – „Ilegal, legal, egal. Ein Podcast der Augsburger Allgemeinen. Beratung: Maria Mercedes-Hering, Manuel André, Sarah Schirack und Axel Hechelmann. Musik: Hendrik Wiethoff. Sounddesign: Mike Schléh. Illustration des Covers: Lina Müller. Vielen Dank an: Christina Heller-Beschnitt, Niklas Molter, Moritz Ferle und Theresa Osterried. Produziert und recherchiert von mir, Helen Krüger-Jansson.